Seit 1994 FIFA International Soccer erschien, spendiert uns Electronic Arts eine jährliche Neuauflage der mittlerweile bei den Fans Kultstatus genießenden Fußballsimulationsreihe FIFA. Bei anstehenden Europa- oder Weltmeisterschaften sogar mit kostenpflichtigen Zusatzinhalten oder eigenständigen Ablegern von eher fragwürdiger Qualität. FIFA WM 14, du bist gemeint.
Auch dieses Jahr hat sich EA nicht lumpen lassen und die Fans mit einem neuen Kaderupdate, sowie einigen neuen Gameplayneuerungen bedacht. Klingt erstmal vielversprechend – möchte man meinen. Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus: FIFA 19 ist, sollte man sich nicht mit der 2009 gestarteten Sub-Serie Ultimate Team, kurz UT, anfreunden können, das schlechteste FIFA seit Jahren. Doch fangen wir von vorne an.
Ultimate Team sollte hinlänglich bekannt sein. Für die, die nicht wissen wovon die Rede ist: EA hatte 2009 ihrer Fußballreihe den Modus UT als kostenpflichtigen Download hinzugefügt. Mit den Nachfolgern wurde dieser Modus irgendwann fester Bestandteil des Spielerlebnisses, bis sich der Fokus nun endgültig Richtung UT verschoben hat. Darunter leidet nun das restliche Spiel, welches nur noch stiefmütterlich behandelt wird.
UT ist ein integriertes Sammelkartenspiel. Spieler werden in Bronze, Silber oder Goldkategorien aufgeteilt und müssen aus Kartenpackungen gezogen werden. Der Kniff: Nicht jeder Spieler harmoniert mit dem anderen. Darauf gründet das Chemie System. Je mehr Chemie eure Mannschaft hat, desto bessere Werte-Boosts erhalten eure Spieler. Dasselbe gibt’s nochmal für jede Karte. Das nennt sich dann Einzelspielerchemie, die von 1- 10 reichen kann. Verbunden werden müssen die Karten über den Verein, ihre Nation oder die Liga, in der sie spielen.
Das Perfide an der Geschichte: Ihr könnt euch nicht einfach die Spieler kaufen, die ihr wollt. Zumindest nicht, wenn ihr gerade in den Spielmodus startet. Ihr müsst sündhaft teure Kartenpackungen ziehen. Und das geht heutzutage – selbstverständlich – mit echtem Geld. Im aktuellen Ableger sind nun erstmals die Prozentchancen aufgelistet, wenn ihr eine der Packungen öffnet. Und die Chance einen wirklich starken Spieler zu ziehen sind fast immer 1 Prozent oder geringer. Der Preis der Kartenpackungen variiert dabei stark. Die Ingame-Währung „Münzen“ könnt ihr zwar auch für das öffnen der Packungen verwenden, nur kosten wirklich gute Spieler wie Lukaku schonmal bis zu 250.000 Münzen. Bei einem Spielerlös von ca. 700-800 Münzen pro 20-minütigem Spiel sind das etwa 300 Spiele und mehr als 100 Stunden Zeitaufwand. „Abhilfe“, wenn man es so nennen möchte, schafft hier die Echtgeldwährung, die fest ins Spielsystem implementiert ist. Ab einem bis zu 100 Euro auf einen Schwung könnt ihr für sogenannte „FIFA Points“ ausgeben. Von denen könnt ihr euch dann ebenfalls Kartenpackungen kaufen, deren Münzenpreise zwischen 5.000 für das einfache Gold-Pack mit geringer Chance auf gute Spieler bis zu 30.000 und mehr für ein Mega-Pack mit einer 4,7-prozentigen Chance auf einen guten Spieler variieren. Besser wird hierbei mit einem Gesamtwert von 84 betitelt.
„Gut“, könnte man denken, „dann kaufe ich eben günstig ein Paar Points, um mir einen kleinen Startbonus zu verdienen“. Aber auch das haben die Entwickler kalkuliert. Packs sind umgerechnet deutlich teurer, wenn ihr sie mit Points als mit Coins kauft. Ihr zahlt also mit dem Echtgeld im Endeffekt nur drauf.
Klar gibt es auch Workarounds. So ist der „Transfermarkt“, in dem ihr gezogene Spieler für Münzen verkaufen könnt, seit Jahren fester Bestandteil der Serie. Aber auch für diesen müsst ihr zuvor wertvolle Spieler aus Packs gezogen haben, um Profit machen zu können und damit eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Es ist natürlich auch möglich durch geschicktes Trading Coins zu verdienen, doch das frisst nur noch mehr Zeit.
Es ist bereits abzusehen: Dieses System ist ein Zeit-, und vor allem ein Geldfresser. Garniert wird dieses Konstrukt mit sogenannten „Squad-Building-Challenges“. In diesem müsst ihr bestimmte Bedingungen erfüllen und baut dementsprechend ein Team auf, das ihr gegen eine Belohnung wie beispielsweise die teuren Kartenpackungen eintauscht. Zwar mögen mache Belohnungen ganz ertragreich sein, aber auch dann kommt ein weiterer „Free-to-Play“ Faktor zum Tragen. Die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit der SBC’S. Denn manche der Herausforderungen, mit besonders guten Belohnungen, sind nur für 24 Stunden abschließbar. Danach sind sie für immer weg.
Und als wäre das nicht schon aufwändig genug, gibt es tägliche Herausforderungen, wöchentliche Challenges, den Division-Rivals-Modus, in dem ihr gegen meist gleichstarke Gegner antretet und so wöchentliche Belohnungen erfarmen könnt, sowie „Squad Battles“, bei denen ihr gegen Teams echter Spieler antretet, die allerdings von der KI gesteuert werden. Möglichst viele Punkte in den Modi vorausgesetzt. Um alle Spiele in den Squad Battles mitnehmen zu können und wirklich gute Boni zu erhalten müsst ihr mindestens alle 12 Stunden vier Partien spielen, sonst verfallen diese.
Selbst wenn ihr den Modus ignoriert und euch dem Karrieremodus, Pro Clubs oder Online-Saisons widmet erwarten euch Werbeeinblendungen zum UT-Modus. Das Spiel ist eindeutig darauf aus euch dazu zu verleiten in diesem Modus euer Geld auszugeben. Und das bei einem Vollpreistitel.
Naja, wenn das schon der Fall ist sollte es aber wenigstens Fehler und bugfrei sein. Besonders mit dem neuen Abschluss-System, das es den Spielern erschweren sollte Tore zu erzielen. Zu sagen der Versuch sei leicht danebengegangen wäre weit untertrieben.
FIFA 19 erinnert, insbesondere in den ersten Wochen, eher an eine Clown Fiesta, als an eine wirkliche Fußballsimulation. Beispiele gefällig?
Ich erlebte Torhüter, die den Ball nicht aufheben wollten, sondern artistisch ins eigene Tor schlugen. Des Weiteren gibt es Kollisionsfehler und etliche weitere Kinderkrankheiten, die es bei einem Spiel dieser Größenordnung nicht mehr geben sollte.
Apropos Abschlusstiming: Tore zu erzielen war noch nie so einfach. Fallrückzieher und Distanz-schüsse sind erheblich vielversprechender als 1 gegen 1 Situation. Genauso wie angeschnittenen Schüsse aus 20 oder mehr Metern Entfernung bei erfolgreichem Timing.
Und selbst wenn man dieses Kernelement auszuklammern versucht fehlt erfahrenen Spielern gänzlich die Herausforderung. Durch die neuen Systeme wie das Abschlusstiming, ist selbst der Karrieremodus gegen Gegner auf der Schwierigkeitsstufe „Ultimativ“ sterbenslangweilig, weil Spieler wie Leroy Sane den Ball nahezu immer perfekt, selbst gegen Gegner wie Paris Saint German, im Tor unterbringen. So enden solche Partien gerne mal 6:0, oder höher.
Schlussendlich bleibt da noch Online Saisons: Das frühere Herzstück der FIFA-Reihe tritt seit Jahren auf der Stelle. Mehr noch – es wird von Jahr zu Jahr schlechter. Im neuesten Ableger müssen sich Spieler nun mit der realen Form rumschlagen, die man nicht abschalten kann. Auch kann man nicht länger bestimmen, ob man nur 1 gegen 1 Spielen bestreiten möchte. Wenn der Gegner zu zweit vor der Konsole sitzt, bemerke ich das erst, wenn das Spiel begonnen hat. Es gibt einfach keine Lobby, in der ich das zuvor einsehen kann. Von Modi wie Pro Clubs, in der ich einen einzelnen Spieler steuere, brauche ich gar nicht anzufangen. Hier war der Modus durch Patches sogar kurze Zeit gänzlich unspielbar.
Was bleibt also, wenn man versucht einen kompletten Eindruck des Spiels zu bekommen?
Es bleibt ein Spiel, das sich voll und ganz dem Geldverdienen verschrien hat und auch keine Scham verspürt, dies jede Sekunde, in der man es spielt, kundzutun. Zwar mögen FUT-Puristen und Karrieremodus-Fans trotzdem ihren Spaß haben können, aber als Gesamtwerk versagt FIFA 19, weil es Ultimate Team zu Zentral als Kernelement einbindet. Gearde ich, als teuer Fan der Spielereihe bin gnadenlos enttäuscht, auch wenn mir der UT Modus zusagt. Trotz Ausbeutungsversuche.
Daher vergeben wir eine Wertung von 68, wegen offensichtlichem Pay to Win Aspekt und einem verschwenderischen Umgang mit unserer Zeit.