Ghost Recon: Breakpoint - Eine Enttäuschung auf ganzer Linie

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Ach Ghost Recon. Ich wollte dich so gerne mögen. Und es begann auch durchaus vielversprechend. Eine angenehme Steuerung, eine wenigstens nachvollziehbare Ausgangslage in der Geschichte und keine an Level geknüpften Gegner… Dachte ich zumindest. Denn Ghost Recon Breakpoint verwässert sein eigentlich spaßiges Kerngameplay mit einem Haufen „Game as a Service“.
Wir beginnen auf einer Insel. Fernab vom Rest der Welt. Einer Insel, welche die Welt in die Zukunft führen soll. Diese Insel ist das Auroa-Archipel und die Firma, die hinter ihr steckt, ist Skell-Tech. Wir sind der Truppführer einer Sondereinheit der CIA, die herausfinden soll, warum die USS Seay in der Nähe des Archipels gesunken ist. Es kommt, wie es kommen muss. Aus unerfindlichen Gründen stürzt unser Helikopter, mit dem wir uns auf dem Weg zum Einsatz befinden ab, und wir werden durch die Tutorial-Mission geschleust. Die Story beginnt wie jeder x-beliebige Kriegsfilm. Der gestrandete super Soldat, der auf den Widerstand trifft und so eine böse Organisation zerschlagen muss. Das Ganze ist aber durchwegs kompetent inszeniert und macht auch dank dem Antagonisten einen äußerst interessanten Eindruck. Offensichtlich teilt unser Hauptcharakter eine gemeinsame Vergangenheit mit ihm. Euer Gegenspieler ist Lt. Colonel Cole D. Walker (Jon Bernthal, bekannt aus Walking Dead und der Punisher-Serie auf Netflix). Diese Grundprämisse verspricht eigentlich eine Menge Reibungspunkte und Raum für spannende Szenen.

Belanglosigkeit statt Spannung


Daraus macht das Spiel aber bislang viel zu wenig. Nach der angesprochenen Tutorial-Mission finden wir uns schnell in einem Wust aus generischen Sammel-Aufgaben wieder. Es müssen Vorräte beschafft, LKWs gesprengt oder besondere Menschen erschossen werden. Und schnell wird uns klar: Was soll das alles? Warum macht unser Protagonist das? Die Sinnhaftigkeit sucht man in den nahezu gleichförmigen Missionen vergebens. Fast immer lautet es. Gehe zu Punkt A und erledige dort diesen Gegner/dieses Objekt. Das Ganze aber jetzt auch ohne den sogenannten „geführten“ Modus. Denn wahlweise können wir uns den Zielpunkt unserer generischen Aufgaben aus ausblenden lassen. Besser beschrieben werden die Missionsziele deswegen aber trotzdem nicht. Und so verbringen wir, wenn wir wollen, noch viel mehr Zeit in Breakpoint und wundern uns über das Handeln unserer Hauptfigur.

Eine Wagenladung Inhalte


Ubisoft prahlt mit dem Inhalt, den das Spiel hat. Und Inhalt ist das richtige Stichwort. Denn Ghost Recon: Breakpoint quillt quasi über mit Möglichkeiten, Markierungen und Aufgaben. Sprich: Man merkt ihm den „Game as a Service“-Gedanken leider an allen Ecken und Enden an. Und das bei einem, laut eigenen Aussagen, „Hardcore-Taktik-Shooter“.
Das fängt beim zentralen Progressionsystem an. Breakpoint bedient sich des Ausrüstungslevels, bekannt aus Loot-Shootern wie Destiny. Angegeben werden also ein Level und verschiedene Körperbereiche, die mit unterschiedlich starker Ausrüstung geschützt werden können. So tauschen wir z.B. Level 17 gegen Level 22 Stiefel, die wir in der offenen Spielwelt finden. Und das gilt für alle Objekte, die wir in der Spielwelt finden. Und ja, auch für die Waffen. Das fällt bei menschlichen Gegnern nicht allzu stark ins Gewicht. Selbst Level 150-Gegner können durch präzise Kopfschüsse schnell ausgeschaltet werden. Löblich. Weniger gut ist allerdings: Das trifft nicht auf Maschinen als Gegner zu. Die verkommen in Breakpoint zu regelrechten Kugelschwämmen. Ihr braucht also immens viel Munition um diese Gegner bezwingen zu können. Besonders, wenn man noch niedrig stufige Waffen hat. Spätestens hier versagt dann der erwünsche „Taktik“-Aspekt völlig. Denn das, was hier als einzige effektive Maßnahme hilft, ist der Grind nach besserer Ausrüstung und besseren Waffen.

Ein Loot-Taktik-Shooter?

Generell schadet dieser loot-orientierte Ansatz dem Progressionssystem mehr als, dass er hilft. Nachdem ihr eine Basis von Feinden erledigt habt, warten immer mindestens vier Loot-Kisten darauf von euch geöffnet zu werden. Dann bedarf es einem Wechsel ins Ausrüstungsmenü, was selbstverständlich nicht per Schnelltaste zu bewerkstelligen ist, um den stärkeren Gegenstand auszurüsten. Nur um diesen Prozess bei nahezu jedem neuen Item zu wiederholen. Denn neue Items gibt es zuhauf. Ihr schließt eine Mission ab? Neue Ausrüstung! Ihr erschießt einen Gegner? Neue Items! Ihr findet eine Lootkiste? Neue Waffen, Ausrüstung und Gegenstände! Und das alles dauert nicht nur eine gefühlte Ewigkeit, bis ihr dann endlich mal eure neuen Objekte angelegt habt, es macht auch die gerade erst erhaltenen Gegenstände nach nicht mal 10 Minuten obsolet. Somit entbehrt der Shop, in dem ihr euch neue Waffen oder Verbesserung für eure Waffen kauft jedweder Logik. Warum soll ich mein Scharfschützengewehr teuer upgraden, wenn ich fünf Minuten später ein stärkeres bekomme? Was hilft mir die starke Individualisierbarkeit meiner Waffen, wenn ich mehr Zeit mit der Anpassung meiner immer wieder neu gesammelten Ausrüstung und Bewaffnung verbringe, als das ich spiele? Es sind diese Fragen, die Ubisoft nicht zu beantworten wusste. Jedenfalls nicht zum Release. Und auch von der interessanten Ausgangslage bleibt letztlich nicht viel. Denn innerhalb der vom Spiel vorgesehenen Loot-Spirale vergisst Ubisoft die Geschichte sinnvoll weiterzuerzählen. Was also bleibt, ist lediglich ein Vorwand um „den Bösen“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Kopf zu schießen, um – Überraschung – neuen Loot zu erhalten.

Keinen Trend auslassen!

Damit aber noch nicht genug. Denn auch ein Crafting-System und Survival-Aspekte haben ihren Weg in das neueste Ubisoft-Spiel gefunden. Das Crafting-System läuft unter dem Namen „Biwag“ und lässt euch Nahrung zubereiten, die euch verschiedenste Boni auf entweder Erfahrung oder verbesserte Ausdauer gewährt. Und apropos Ausdauer: Der „Survivalaspekt“ beschränkt sich in Ghost Recon Breakpoint auf einen mit der Zeit immer weiter schrumpfenden Ausdauerbalken. Dieser kann nur wieder aufgefüllt werden, wenn ihr etwas esst oder trinkt. Mehr nicht. Was das zur Immersion beiträgt? Nichts. Aber immerhin kann man das Spiel nun auch mit „Survival-Mechaniken“ bewerben. Und damit nicht nur die Survival-Fans bedient werden, hat Breakpoint selbstverständlich auch ein Klassensystem, in dem wir uns aufleveln können. So skillen wir unseren virtuellen alter Ego entweder im Schleichen und im Umgang mit Präzisionsgewehren oder aber im Nahkampf. Insgesamt vier verschiedene Klassen stehen zur Auswahl, mit ausrüstbaren Zusatzboni, die ihr freischalten könnt. Und wie es für Ubisoft-Spiele anscheinend aktuell zum guten Ton gehört, selbstverständlich auch mit online-Zwang. Egal ob auf Konsole oder auf PC. Denn schließlich laufen in der Einzelspielerkampagne in eurem Versteck immer bis zu 20 andere Spieler rum, die auch gerade Quests annehmen oder abgeben.
So artet Ghost Recon bereits nach ein paar Missionen nahezu in Arbeit aus. Es müssen neue Quests angenommen werden, das dauert. Ihr braucht verwendbare Objekte, die gecraftet werden müssen. Das stetige Upgraden eurer Ausrüstung erfordert einen verhältnismäßig überproportional aufwändigen Input und dann macht ihr in den Missionen immer dasselbe, ohne auch nur annähernd verständliche Begründungen geliefert zu bekommen. Und das alles trotz spaßigem Kerngameplay. Euer Charakter steuert sich direkt, vermittelt ein Gefühl von Gewicht durch die Ausrüstung, die er bei sich trägt, das Waffenverhalten ist nachvollziehbar und direkt, und auch optisch macht die Insel einiges her. Auch die verschiedenen Schussperspektiven wahlweise first- oder third-person verleihen dem Kerngameplay eine spaßige Note und bringen ein Gefühl von Kontrolle. Doch dieses Kerngameplay wird von den ganzen Systemen, für die sich die Entwickler entschieden haben, torpediert. Ein Beispiel hierfür ist der kaputte PVP-Modus.

Kompetitiver Multiplayer? Fehlanzeige.

Dieser funktioniert nicht etwa getrennt von dem Einzelspieler fortschritt, sondern verwendet diesen als Grundlage des PVP. Ihr tretet also mit dem an, was ihr euch im Singleplayer ergrindet habt. Das führt insbesondere bei den weitläufigen Karten von Breakpoint zu Situationen, wie Spielern mit High-Level-Scharfschützengewehren auf der einen, und anderen Spielern, deren Körperpanzerung nicht stark genug ist um den Schuss eines solchen Gewehrs abzufangen auf der anderen Seite. Oder auch beliebt: Spieler ohne Aufklärungsdrohne sehen sich in dem meist sehr taktisch anmutenden Schlachten quasi einer dauerhaften Markierung ausgesetzt. Also müssen Spieler sich auf der Insel von Breakpoint die Spawnpunkte der besten Waffen heraussuchen, um mit diesen im Multiplayer Erfolge feiern zu können. Auch ein hoher Spielerlevel verschafft hier Vorteile, weil in der Charakterentwicklung passive Boni freigeschaltet werden können. Ein solches System bevorzugt gerade die viel-Spieler massiv.

Eklatante Qualitätsmängel

Doch auch von den Ganzen Design-technischen Schnitzern abgesehen zeigt Ghost Recon eklatante Schwächen. Da wäre zum einen die Fahrphysik. Oder zumindest das, was Ubisoft als solche bezeichnet. Denn von einer wirklichen Fahrphysik kann nicht die Rede sein. Die Fahrzeuge, auch die Motorräder, sind teilweise über Präzise und lassen sich in der Luft noch in eine völlig andere Richtung steuern, dann aber fühlen sie sich wieder Träger an, als die schweren Panzer des zweiten Weltkriegs in Battlefield.
Und auch die künstliche Intelligenz agiert sehr inkonsistent. Selbst auf den hohen Schwierigkeitsgraden. Mal sehen sie euch auf mehrere hundert Meter im dichten Gras. Ein anderes Mal merken sie nicht, dass ihr zwei Meter hinter ihnen mit der Kalaschnikow im Anschlag steht. Auch eine Ortung, von wo verbündete Soldaten erschossen wurden, bekommen eure Widersacher nicht hin. Das hat bereits Sniper Elite 4 besser gemacht. Mit deutlich weniger Budget und bereits vor mehr als zwei Jahren. Oder aber die feindlichen Soldaten hören einen umgefahrenen Busch gleich als „Explosion“, was noch viel mehr Widersacher auf den Plan ruft. Zu guter Letzt kommen wir noch zur Steuerung. Auch wenn das reine Kerngameplay durchaus spaßig ist, nervt besonders die kontextsensitive Eingabe. So kann es euch passieren, dass ihr nicht etwa an eine Schützenposition oder auf den Fahrersitz wechselt, sondern euch auf den Beifahrersitz oder auf die Rückbank setzt. Oder aber es dauert eine ganze Zeit, bis die Option irgendwo einzusteigen auftaucht. Auch die magnetische Deckung ist nicht immer angenehm. Schleicht ihr zu einer Deckung oder aber zu nah an einer Deckung vorbei, presst sich Nomad, euer Protagonist, automatisch an die Wand. Das erschwert euch nicht nur das Weiterkommen, sondern ändert auch die Schulter, über die ihr zielen könnt.


Das alles macht Breakpoint zu einem Spiel, das sich unnötig selbst verschlechtert und bei dem die Ausrichtung dem Spiel das Leben schwer macht. Die über Jahre hinweg optimierte Erfahrung eines Ghost Recon Wildlands, bei dem der Ersteindruck auch noch nicht überzeugen konnte, wird hier zugunsten eines Season Passes und einer Loot-Spirale nahezu bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Und das hätte bei dem spaßigen Kerngameplay nun wirklich nicht sein müssen.