Octopath Traveler - Zwischen halbgar und Meisterwerk

Octopath Traveler - Zwischen halbgar und Meisterwerk - Cover

Fast ein Jahr war Octopath Traveler Switch-Exklusiv. Das ändert sich nun mit einer Steam-Release. Die perfekte Gelegenheit also darüber zu sprechen, in welchen Punkten Octopath Traveler versagt hat und darüber, was den Entwicklern besonders gut gelungen ist. Es ist mein persönlicher Epilog zu einem Spiel, das ich sehr genossen habe, aber auch zurecht kritisiert wird. Auf Spoiler wird dabei verzichtet.

Octopath Traveler – Schon das erste Trailermaterial war seinerzeit sehr vielversprechend. Neben einem einzigartigen Artstyle, welchen sich Square Enix als HD2D lizenzieren ließ, sowie einem atemberaubend schönen Soundtrack machte das Spiel vor allem mit einem interessanten Konzept auf sich aufmerksam: 8 Charaktere mit individuellen Geschichten, die sich früher oder später zusammenfinden und durch ihre Klasse, sowie sogenannten Wege-Aktionen für viele interessante Kombinationen sorgen. Ein Konzept, das insbesondere im JRPG-Genre heraussticht – Doch werden die Erwartungshaltungen der Spieler bei Octopath Traveler erfüllt?

Kurz gesagt: Jein. Offensichtlich sprechen die gängigen Bewertungen als auch die Verkaufszahlen dafür, dass Octopath Traveler alles richtig gemacht hat und die Prämisse 8 toller Geschichten erfüllt werden konnte. Doch dies gelang dem Spiel meiner Meinung nach hauptsächlich aufgrund eines spaßigen und komplexen Kampfsystems sowie dem Gameplay und weniger aufgrund der Story des Spiels, aber fangen wir ganz langsam an.

Octopath Traveler führt euch zum Kontinent Orsterra. Euch erwartet eine große Spielwelt mit zahlreichen Städten, Ruinen und allerlei Sehenswürdigkeiten sowie diversen Landschaften. Von der sengenden Hitze des Sonnlands über die dichten Wälder des Waldlandes bis hin zu den eiskalten Schneelandschaften Frostlands verzückt euch das Spiel nicht nur mit seiner außergewöhnlichen Optik sondern allen voran mit derart vielen guten Musikstücken, das man gerne einmal die Seele baumeln lässt und lediglich die Stimmung verinnerlicht. Ich bin ganz offen: Octopath Traveler hat meiner Meinung nach bei weitem einen der besten Soundtracks der Videospielgeschichte. Ganz egal welche Kritikpunkte sich auch in Sachen Gameplay und Story finden mögen: Diesen Punkt gewinnt das Spiel mit Leichtigkeit für sich. Zählt mich zu den Massen, die von tiefen Herzen enttäuscht waren, als Red Dead Redemption 2 in Sachen Score/Musik bei den Game Awards 2018 gewonnen hat – Soweit geht zumindest meine Liebe für den Soundtrack des Spiels.

Doch zurück zum Thema: Zu Beginn des Spiels entscheidet ihr euch direkt für einen der acht Reisenden. Sei es der mächtige Krieger Olberic, den eines Tages seine Vergangenheit einholt, die neugierige und optimistische Händlerin Tressa, die gläubige aber auch naive Ophilia oder einige der anderen Reisenden: Hier beginnt euer Einstieg ins Spiel.

Als Neueinsteiger denken sich hier wohl die meisten Spieler, dass ihr Entscheidung theoretisch nicht wirklich wichtig ist, da sie früher oder später sowieso auf die anderen sieben Charaktere stoßen werden. Ein simpler und logischer Gedankengang, doch weit gefehlt: Bis zum Abschluss seiner Geschichte kann der erste Charakter niemals im Spiel ausgetauscht werden. Was sich zunächst nur nach einem kleinen Problem anhört, ist jedoch mit einigen anderen Problemen verknüpft und sorgt dafür, dass das Gameplay von Octopath unter dieser Designentscheidung leiden muss.

Wie zu Beginn erwähnt unterscheidet sich jeder Charakter durch seine Wege-Aktionen. Diese Wege-Aktionen bieten diverse Möglichkeiten mit der Umwelt zu interagieren: Menschen lassen sich zum Kampf herausfordern, bestehlen, führen, es lässt sich Handel betreiben oder man erkundigt sich nach Informationen. Dabei werden die Wege-Aktionen noch in zwei Kategorien unterteilt: Abtrünnig und Nobel. Während die noblen Aktionen immer erfolgreich sind und es keine Fehlschläge, dafür aber oft Levelgrenzen gibt, können abtrünnige Aktionen fehlschlagen und euren Ruf gefährden.

Die Entscheidung, welchen Charakter man wählt betrifft also nicht nur eure Teamzusammenstellung und damit eure Möglichkeiten im Kampf, sondern auch welche Aktionen derzeit aktiv möglich sind. Mit steigender Anzahl an Gefährten können Teammitglieder später jedoch jederzeit in den Tavernen aller Ortschaften ausgetauscht werden. Wenn es aber eine Lösung dafür gibt, wo liegt nun mein Problem?

Das fiel mit dem letzten Satz. Es ist schön, dass Charaktere jederzeit ausgetauscht werden können, doch das beschränkt sich auf Ortschaften. Begegnet mir auf einer Route zwischen zwei Städten nun also ein NPC mit einer noch nicht ausgeführten Aktion bleibt mir als Spieler im Kopf, dass es einen Ort gibt, zu dem ich früher oder später backtracken muss. Eine Gruppe zu wählen, die alle 4 Wege-Aktionen abdeckt ist dabei nicht die Ideallösung, denn obwohl ich nun alle Aktionen ausführen kann ergeben sich aus diesen Zusammenstellungen nicht unbedingt die besten Möglichkeiten im Kampf. Doch der größte Faktor lautet simpel heruntergebrochen: Therion, oder nicht Therion.

Therion, oder: Wer will Backtracking?

Zur Erklärung: Therion ist der Dieb unter den 8 Reisenden. Er kann nicht nur stehlen, sondern auch Truhen öffnen. Das heißt, er ist vor allem in Dungeons enorm nützlich, da euch ohne ihm sämtliche Kisten, die er öffnen könnte verwehrt bleiben. Darunter ist viel Equipment, das euch auf lange Sicht enorm hilfreich sein kann. Alternativen gibt es keine: Eine Option um z. B. Diebe zu rufen, mit Tressa um Schlüssel zu verhandeln, oder gar einmal einen Versuch mit Olberics roher Kraft zu wagen gibt es nicht. Spieler von Rollenspielen wissen wir nervig es ist, zu Orten zurückkehren zu müssen weil man weiß, dass es dort noch etwas zum Abholen gibt. Ist man perfektionistisch veranlagt macht es einen schier wahnsinnig und so ging es auch mir, da ich natürlich eine andere Person gewählt hatte.

Lediglich zu wissen, dass man nicht alle Dungeons noch einmal mit dem Dieb betreten muss macht die Wahl dieses Charakters soviel besser, denn gutes Equipment möchte man in keinem JRPG missen. Könnte man einfach jederzeit dynamisch durchwechseln, würde dieses Problem nicht bestehen. Verschärft wird es im übrigen durch die recht aggressiven Random Encounter – Also Zufallsbegegnungen von Feinden, die dann rundenbasiert bekämpft werden.

So sehr ich persönlich ein Freund von rundenbasierten Kämpfen bin, so sehr bin ich auch ein Feind von Zufallsbegegnungen. Selbst alte Spielreihen, die selten etwas an Basis-Mechaniken ändern wie z. B. die Dragon Quest Reihe haben ihre Lektion längst gelernt. Zwar gibt es die Möglichkeit der Rate mit Fähigkeiten entgegenzuwirken – doch muss eine Milderung des Problems wirklich komplexe Mechaniken wie Skill-Systeme involvieren? Das Spiel wurde von den Entwicklern von Bravely Default entwickelt – Ein Spiel, das ich sehr dafür gelobt habe, dass man die Rate der Zufallsbegegnungen ganz bequem im Optionsmenü jederzeit anpassen konnte. Wollte man kurz Farmen hat man sie einfach auf 200% gestellt, während auch bequeme Erkundungen auf einer 0% Rate möglich waren – Wenn schon keine sichtbaren Monster, dann doch bitte so, Square Enix.

Wenn es um Backtracking geht sind diese Kisten jedoch glücklicherweise zumindest eine Ausnahme: Das Spiel verzichtet sonst darauf euch jederzeit wieder an bekannte Orte zu schicken. Sicherlich wird man für die ein oder andere Nebenquest hin und her wandern, doch dank Schnellreisesystem war das nie ein Problem.

Generell mangelt es nicht an Aufgaben auf dem Kontinent Orsterra. In jeder Stadt gibt es zahlreiche Questgeber und Aufgaben verfügen über eine große Bandbreite an Zielen. Manchmal mag es das plumpe Erledigen von x Monstern sein, doch das bildet oft die Ausnahme. Meist ist sorgfältiges Zusammensetzen von Informationen und das Finden der passenden Wege-Aktionen der Schlüssel zu vielen Lösungen. Dazu gibt es sogar oftmals diverse Lösungen zu Quests, die mit anderen geschichtlichen Ausgängen enden – Vorbildlich, wenn auch noch weit von der Qualität interessanter Lore-Quests wie man sie z. B. in der Witcher Reihe auffindet entfernt.

Rundenbasiertes Kampfsystem erster Güte

Rund um alle diese Aufgaben und Dungeons wird selbstverständlich viel gekämpft und wenn es eine starke Gameplay-Qualität gibt, die Octopath Traveler auszeichnet, ist diese mit Sicherheit im Kampfsystem zu finden. Selten habe ich ein rundenbasiertes Kampfsystem erlebt, das mir derart großen Spaß bereitet hat: Es ist einfach zu lernen, bietet aber genug Komplexität um mit einer Menge Optimierung deutlich mehr herauszuholen. Dazu gesellen sich Bosse die interessante Muster aufweisen und vom Spieler erfordern, nachzudenken. Das System in Octopath Traveler arbeitet durchweg mit Stärken und Schwächen.

Jeder Gegner verfügt über Schwächen, die es gilt ausfindig zu machen. Die Anordnung folgt sogar einem bestimmten Muster von links nach rechts. So ist z. B. das Schwert stets der erste Eintrag. Sollte nun die erste Schwäche im linken Feld eine andere sein, kann also das Schwert als Zusatzschwäche ausgeschlossen werden – Mit solchen Informationen arbeitet der Spieler um wertvolle Zeit zu sparen. Jedes Mal wenn eine Schwäche getroffen wurde, verliert ein Feind einen Schild. Erreicht seine Zahl 0 kommt es zum sogenannten Bruch. Es folgt ein Zug, in dem der Gegner völlig machtlos ist und erhöhten Schaden erhält. Dazu kommt das Boost-System welches BP involviert. Jeden Zug erhalten Charaktere Boost-Punkte bis zu einem Maximum von 5. Sie zu opfern kann Angriffe und Fähigkeiten mächtig stärken. Es kommt also immerzu auf perfektes Timing an: Wann lohnt sich der Bruch am meisten um möglichst viel Schaden mit dem Boost-System anzurichten?

Um diese Taktiken zu erschweren können spätere Bosse nicht nur ihre Schwächen dynamisch ändern oder von anderen Feinden abhängig machen, sondern euch sogar eurer Boost-Punkte berauben, was ein noch präziseres Timing erfordert.

Offen gestanden: Das Kampfsystem des Spiels ist genial. Für mich persönlich gar der Höhepunkt rundenbasierter Kampfsysteme derzeit. Mit der Zeit gesellen sich noch einige andere komplexe Fähigkeiten dazu, die klug genutzt werden können, wie z. B. Änderungen an der feindlichen Zugfolge, oder die Reflektion von Zaubern um Feinde mit eigenen Waffen zu schlagen. Schade ist lediglich, dass oftmals die selbe Taktik bei fast allen Bossen verwendet werden kann: Meist wird nur möglichst defensiv versucht Punkte zu sparen um dann 1-2 Runden offensiv vorzugehen und das Schema anschließend zu wiederholen. Nichtsdestotrotz hatte ich sehr viel Spaß mit dem System und kann kaum erwarten, dieses bei einem Nachfolger erneut zu erleben.

Überrascht war ich davon oftmals zu lesen, dass Octopath ein recht grinding-lastiges Spiel wäre. Diese Erfahrung kann ich praktisch überhaupt nicht teilen. Es ist ein Spiel, bei dem Equipment mit großem Abstand das Wichtigste ist und Level nur wenig Wert besitzen. Wobei zumindest ärgerlich ist, dass nur die aktiven 4 Gruppenmitglieder leveln und alles auf der Ersatzbank sich nicht anpasst. Gerade wenn man neue Kombinationen ausprobieren möchte kann es dementsprechend lästig sein, im Durchschnitt fragilere oder schwächere Charaktere dabei zu haben. Mit guter Ausrüstung an die man über die Talente Tressas und Therions auch früh im Spiel bereits kommen kann wird nahezu alles deutlich erleichtert. Dazu gibt es spezielle Talente, die dabei helfen schneller zu leveln. Die sogenannten Caits sind zudem spezielle Monster, ähnlich wie Metallschleime in Dragon Quest um direkt mit Glück an massiv Erfahrung zu kommen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Viele Endgamegebiete haben Levelempfehlungen von 40+. Octopath bietet bei Skills und Ausrüstung jedoch so viel Optimierungsspielraum, dass sich fast jedes End-Kapitel im Alleingang auf etwa Level 20 bewältigen lässt, wenn alles stimmt. Natürlich ist das weit vom Casual-Spieler Playthrough entfernt, verdeutlicht aber, das Level-Ups weit weniger Wert besitzen als ihnen gerne beigemessen wird.

Dungeon-Monotonie der Superlative

Doch genug das Lobes. Natürlich gibt es viele Schattenseiten. Darunter fällt z. B. das unglaublich plumpe Dungeon-Design. Alle Dungeons sind nach dem gleichen Schema gestaltet: Verwinkelte Wege führen meist zu Truhen und Monstern und vor allem noch mehr Monstern um euch schließlich den Boss des Dungeons zu präsentieren. Wenn ihr Glück habt, gibt es dazwischen ein wenig Story, doch das ist eher selten der Fall. Nahezu alle Dungeons im Spiel wirken geradezu wie zufällig zusammengewürfelt: Es gibt keine besonderen Rätsel, die z. B. die Talente der Charaktere erfordern würden. Es sind lediglich Korridore, die den Spieler hin und wieder mit einer Truhe belohnen und so an der Stange halten. Wer Bravely Default oder viele andere Square Enix RPGs gespielt hat wird diese Gestaltung von Dungeons schon gewöhnt sein. Das ist besonders bedauerlich bei einem Spiel, bei dem die Unterschiede der Charakter im Fokus stehen. Spiele wie z. B. die Golden Sun Reihe schaffen es, Dungeons mit zahlreichen Rätseln aufzuwerten und Charaktere herausstechen zu lassen, indem sie ihre Talente aktiv nutzen müssen.

Talente und Immersion sind ein weiteres Problem. Wege-Aktionen sind zwar ein interessantes Feature, jedoch bei weitem keine neue Erfindung und zudem in Octopath teils fragwürdig umgesetzt. Ist es z. B. ehrenwert, wenn ein Krieger absolut alle Bewohner in einer ruhigen Handelsstadt zum Duell herausfordert und diese nun alle bewusstlos auf den Straßen liegen? Hier bröckelt ein Teil des Fundaments der Kernmechanik. Im Zusammenspiel mit dem Ruf-System wird es besonders bedauerlich. Sollte der Ruf einmal ruiniert sein, reicht es, einfach die Wirte von Tavernen dafür zu bezahlen, dass sie positive Gerüchte verbreiten. Dieses Verfahren lässt sich beliebig oft wiederholen. Die einzige Folge eines geschädigten Rufs ist, dass keine Wege-Aktionen in der Zeit möglich sind.

 

Komplexe Rufsysteme würden die Welt sehr viel belebter machen. Z. B. könnten Kopfgeldjäger auf die Gruppe angesetzt werden, oder im umgekehrten Fall könnte eine Einladung für eine besondere Quest folgen, falls der Ruf besonders gut ist. Ich denke dabei an Umsetzungen wie in klassischen Dungeons and Dragons Werken wie Baldurs Gate, oder auch modernere Spielen wie Mass Effect die wunderbar gezeigt haben, wie man eine Welt mit einem spannenden Ruf-System sogar noch interaktiver gestaltet und dabei den Wiederspielwert gleichzeitig erhöht.

Die Umsetzung von Wege-Aktionen und dem Ruf-System hätte mehr Potenzial gehabt und sie schaden stellenweise der Immersion, wenn auch nicht im erheblichen Maß. Was jedoch die Immersion enorm gefährdet, ist die Interaktion zwischen den Mitgliedern der Gruppe.

Die Interaktion zwischen einzelnen Gruppenmitgliedern ist nichts Geringeres
als mein größter Kritikpunkt an Octopath Traveler.

Rückblickend betrachtet sind Gruppen-Interaktionen etwas, bei dem ich mich bei Square Enix selten im Stich gelassen fühlte. In Final Fantasy VI berührte mich die Tragik mancher Hintergrundgeschichten von Charakteren sehr. In Bravely Default lachte man viel mit den liebevoll geschriebenen Dialogen zwischen Gruppenmitgliedern mit, während Spiele wie Chrono Trigger selbst einem stillen Protagonisten soviel Leben und Bedeutung einhauchen konnten, dass man sich als Spieler stark verbunden fühlte und in den emotionalen Momenten mit der gesamten Truppe mitfühlen konnte.

Solche Momente, so traurig es auch sein mag, gibt es in Octopath Traveler schlichtweg nicht. Versteht mich nicht falsch: Ja, in den einzelnen Storyabschnitten der acht Reisenden gibt es stets auch viele emotionale Momente, die bedeutungsvoll wirken. Jedoch immer nur in Hinblick auf den Charakter, zu dem die Geschichte gehört. Der Rest der Gruppe bleibt dabei immerzu völlig unbeteiligt – und damit komplett austauschbar. Ich bin ein Mensch, für den die Interaktion in einer Gruppe einfach zu einer guten Geschichte dazu gehört. Ein bunter Cast an Charakteren lädt dazu ein, dass es belebte Gespräche gibt, vielleicht den ein oder anderen dramatischen Moment mit Konflikten – Es ist nicht abzustreiten, dass es eine Geschichte weiter aufwertet und die Spannung erhöht. Doch hier hat Octopath Traveler komplett versagt. Hin und wieder gibt es zwar optionale Gruppengespräche, doch diese bleiben sehr wage und schaffen es nie den Status trivialen Smalltalks zu überbieten. Geschichtliche Auswirkungen vermisst man komplett. Das ist umso problematischer in Szenen, in denen sich der Spieler zu wundern beginnt, warum nun keiner der Charakter eingreift. Z. B. wenn wir von einer klar erkennbar kleineren Gruppe in die Ecke gedrängt werden oder in eine Falle tappen. In solchen Fällen raubt die fehlende Interaktion das Gefühl, mit einer Gruppe zu reisen.

Doch Menschen nehmen das unterschiedlich wahr. Dragon Quest IX lässt den Spieler z. B. sämtliche Gruppenmitglieder selbst gestalten, doch existieren diese nur für das Gameplay. Ein Punkt der mich persönlich sehr störte und doch ist dieser Teil der Dragon Quest Reihe unter Fans sehr anerkannt. Schafft es die Hauptgeschichte auf einem guten Niveau zu sein, kann das einiges ausgleichen.

Geschichten erzählen - Stärke & Schwäche gleichermaßen

Wie steht es also um die Hauptgeschichte von Octopath Traveler, bzw.: Gibt es überhaupt eine große übergeordnete Geschichte, wo wir doch acht Protagonisten haben, die in keinster Weise interessant miteinander interagieren?

Ja, die gibt es in der Tat. Ob sie gut ist? Auf jeden Fall.

...Es gibt da nur einen Haken. Irgendwo sind die Geschichten der Reisenden zwar recht unscheinbar miteinander verknüpft, doch erst nach Abschluss aller acht Geschichten werdet ihr die Möglichkeit bekommen den eigentlichen Plot kennenzulernen. Kurioserweise auch erst, nach Abschluss einiger Quests, die völlig optional wirken. Ernsthaft: Dieser Teil des Spiels, der vielleicht das Beste an Octopath Traveler ist, ist derart gut versteckt, dass man die Entwickler für diese Entscheidung doch sehr in Frage stellen muss. Diejenigen, die das Finale gespielt haben werden es in den seltensten Fällen selbst gefunden haben. Selbst zahlreiche Reviews zum Spiel verdeutlichen, dass viele Schreiber diesen Punkt des Spiels wohl nie erreichten. Dieses Finale auf das ich aus Spoilergründen nicht weiter eingehen möchte ist zwar wirklich gut und bietet euch viele Hintergrundinformationen sowie spannende Kämpfe, weist jedoch immer noch die selbe Schwäche bei der Interaktion der Charaktere auf. Zudem werden hierfür alle acht Charaktere benötigt. Das stellt das Problem, das immer nur 4 Charaktere aktiv leveln z. B. auf eine noch höhere Stufe.

Der Hauptplot der alles zusammenführt ist gut ausgearbeitet, jedoch hinter Bedingungen versteckt, die das Finale vor vielen Spielern verbergen. Ohne Internet wären viele davon ausgeschlossen, es zu erleben.

Es verbleibt also nur noch festzuhalten, wie gut die Geschichten der jeweiligen Charaktere sind. Ich persönlich fand großen Gefallen an allen Geschichten, auch wenn einige ordentlich Zeit benötigten und erst nach einer Weile wirklich spannend wurden. Einige der Charakter erleben eine gewisse Charakterentwicklung, doch allen voran sind alle Geschichten mit klaren Lehren verbunden. Teils geht es um Selbstfindung, mal um die Sinnlosigkeit von Rache, Vertrauen oder sogar ethischen Problemen. Für sich selbst sind die Geschichten liebevoll geschrieben und je nach persönlichen Empfinden findet man seine Lieblinge unter den acht Reisenden. Kurzum: Sie sind es wert erlebt zu werden und selbst wenn ihr bestimmte Charakter nicht leiden könnt, bleiben genug andere Geschichten übrig um zumindest den ein oder anderen Favoriten zu finden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass Octopath Traveler doch über einige Schwächen verfügt – Wie schlimm diese jedoch ins Gewicht fallen hängt ganz stark vom Spieler ab. Mangelnde Gruppen-Interaktion sowie einige Gameplay-Schwächen sind die zentralen Probleme des Spiels und rückblickend hätte Octopath Traveler doch sehr viel mehr sein können. Dennoch verbleiben ein grandioses Kampfsystem, ein Soundtrack höchster Qualität und ein einzigartiger Artstyle. Gerade wenn das gut versteckte Finale des Spiels gespielt wurde kann man auch storytechnisch nicht klagen. Laut offiziellen Quellen arbeitet man bereits an einem Nachfolger und sollten die Schwächen des Vorgängers behoben werden, hat dieser das Potenzial noch besser zu werden als Teil eins.

Wie zu Beginn geschildert ist es mein persönlicher Epilog zu Octopath Traveler, das ich auf 100% gespielt habe und nun bald auf Steam erscheinen wird. Von meiner Seite bleibt das Spiel eine Empfehlung für Menschen, die klassische JRPGs lieben, aber auch darüber hinwegsehen können, wenn eine Gruppe in ihrer Interaktion seicht bleibt, dafür aber individuell zugeschnittene und durchaus sehenswerte Geschichten bieten. Zudem gab es keine Features der Switch, die dafür sorgen würden, dass das Spiel unter einer PC-Release leiden würde. Wer unsicher ist kann zudem durchaus auch auf Preissenkungen warten.

Octopath Traveler ist kein Muss, aber eine sehr einzigartige Erfahrung im JRPG-Bereich. Es schafft es einerseits einen neuen Weg einzuschlagen, andererseits aber auch Kernkompetenzen des Rollenspiel-Genres zu vergessen.