Pokémon Legenden Arceus ist wahrscheinlich eines der interessantesten Spiele der letzten Jahre. Nicht etwa, weil dieses Spiel einen völlig neuen Weg für die Pokémon-Reihe beschreitet oder außergewöhnlich innovativ wäre, sondern weil es auf erschreckende Art und Weise offenbart, wie man auf dem Rücken eines gigantischen und beliebten Franchise jegliche Qualitätsansprüche von Bord stößt. Das liegt unter anderem an altbekannten Problemen, die direkt nach Spielstart klar werden. Pokémon Legenden Arceus verabschiedet sich von der herkömmlichen Heldenreise, der „Allerbeste“ werden zu wollen und steckt euch stattdessen in eine Geschichte, in der ihr als „Forscher“ mysteriöse Geschehnisse in der Welt untersucht.
Alle, die gehofft haben, dass die Pokémon Reihe im Jahr 2022 zu altem Glanz zurückkehren wird, werden bitter enttäuscht. Dabei ist die Richtung, in die sich „Pokémon-Legenden: Arceus“ entwickelt, die genau richtige. Ein Abenteuer mit frei umherlaufenden Pokémon im Stile eines Open-World-Spiels hat gigantisches Potenzial. Das, was die Pokémon-Fans aber letztlich bekommen haben, ist schlichtweg kein gutes Spiel. Pokémon ist grandios daran gescheitert, den Wünschen nach der offenen Welt gerecht zu werden. Und das liegt mitnichten nur an der offensichtlich schlechten Grafik des Spiels. Wäre es nur das, hätte Pokémon Legenden Arceus sehr wohl noch ein gutes Spiel werden können. Aber fangen wir doch einfach von vorne an: Dem Einstieg in das Spiel.
Zu Beginn seht ihr ein goldenes Licht. Unser Spieler erwacht in einer Art Traum und ihm erscheint Arceus – der Gott der Pokémon-Welt. Das Pokémon transformiert das Smartphone unsere Spielfigur in ein sogenanntes „ArceusPhone“ und prompt werden wir aus unserer Welt in die Hisui-Region geschickt.
Hier haben wir – selbstverständlich ebenfalls dem Klischee eines Open-World-Spiels entsprechend - keinerlei Erinnerungen an das, was zuvor geschehen ist und werden von Pokémon-Professor Laven begrüßt, der uns von seinem Traum eines Pokedéx erzählt und uns mit unserer ersten Aufgabe betraut: Drei Pokémon müssen eingefangen werden. Ist das geschafft, werden wir prompt in höchsten Tönen gelobt, wie atemberaubend und außergewöhnlich es sei, dass wir gerade drei Pokémon gefangen hätten. Natürlich ist es klar, dass ein Mensch aus Sinnoh deutlich furchtloser vorgeht, aber zum einen haben wir lediglich zahme Pokémon des Professors wieder eingefangen, zum anderen gibt es mehr als genug Trainer im Spiel, die selbst drei Pokémon oder mehr haben – so außergewöhnlich kann unsere Leistung also nicht sein. Abgesehen davon sind wir ein Außenseiter und auch unser ArceusPhone wird kein bisschen als Hexenwerk betrachtet. Misstrauen und Skepsis sucht man also ebenso wenig, wie einen auch nur im Ansatz glaubhaften Erzählansatz. Recht viel anspruchsvoller geht es dabei geschichtlich nicht weiter. Wenig später dürfen wir für eine Vielzahl an NPCs Botengänge erledigen wie generische „fange ein Pokémon vom Typ X“ oder das Craften von Gegenständen. Dazu aber später mehr. Generell ist die Handlung im aktuellsten Pokémon-Ableger nicht mehr als ein Vorwand, um in die verschiedenen Hub-Welten vorzustoßen und allerlei Pokémon zu sammeln.
Um das nochmal festzuhalten: Die Handlung von „Pokémon-Legenden: Arceus“ ist dabei so flach, dass man selbst ohne aufmerksam zu spielen die Handlung irgendwann mitbekommt. Schließlich wird hier nicht nur auf Kleinkind-Niveau eine Handlung entsponnen, sie ist auch auf diesem Niveau geschrieben. Das beste Beispiel: In einer weiteren Mission, nach der Einführung, in der wir drei zahme Pokémon gefangen haben, müssen wir drei weitere Pokémon fangen! Wohlgemerkt in einem tausend Jahre alten Dorf, bevölkert von Menschen und Pokémon gleichermaßen. Und trotzdem scheint diese Aufgabe – wieder mal - schier atemberaubend schwer gewesen zu sein. Der Eindruck entsteht, weil die NPCs nicht müde werden zu betonen, dass wir vom Himmel gefallen sind und damit etwas Besonderes wären. Also sind wir wohl eben einfach ein Held in den Augen aller. Logisch.
Danach entspinnt sich eine abgewandelte Form der typischen Pokémon-Erzählung. Unsere Rivalin oder unser Rivale, abhängig von der Charakter-Erstellung zu Beginn, beneidet uns um das „Band“ mit unserem Begleiter, respektive Starter-Pokémon und fordert uns regelmäßig zu Duellen heraus.
Der Rahmen des Spiels ist die Galaktik Expedition, für die ihr als Forschungsmitglied arbeitet. Danei steigt ihr Ränge auf, die etwa den Arena-Orden entsprechen. Pro Suchtrupp-Stern erhöht sich beispielsweise das Level, bis zu dem die Pokémon unseren Befehlen gehorchen. Das ist insbesondere wichtig, da sich bereits gleich zu Beginn extrem hochstufige Pokémon fangen lassen. Level 60 und höher ist hier schon in den ersten beiden Spielstunden keine Seltenheit.
Abseits dieser Expedition gibt es noch die Diamant- und Perl-Clans, die seit jeher nicht gut aufeinander zu sprechen sind, aber lediglich schnippische Bemerkungen austauschen. Was für eine Rivalität. Zudem sind Charaktere in „Pokemon-Legenden: Arceus“ überdurchschnittlich schwatzhaft. Sprich: Die Charaktere formulieren nicht klar und deutlich was sie wollen, sondern quatschen überdurchschnittlich viel.
Eine Sprachausgabe hat das Pokemon-Legenden: Arceus dabei genauso wenig wie eine nur ansatzweise nachvollziehbare Story. Ob die Sprachausgabe bei dieser Handlung allerdings einen Unterschied gemacht hätte, darf bezweifelt werden. Der bisweilen unterkomplexe Professor begleitet und unterstützt uns mit allerlei wichtigen Hinweisen. In unserer Funktion als „Suchtrupp“, in die wir vom Professor zu Beginn des Spiels gedrängt werden, bekommen wir anstatt interessanter Begegnungen und Dialogen immergleiche Aufgaben vorgesetzt. Doch bevor es losgehen kann, muss erst das Tutorial absolviert werden. Und allein das kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Spieltempo – gerade zu Beginn – ist extrem langsam. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis euch das Entwicklungsteam Gamefreak einmal tatsächlich selbst spielen und erkunden lässt.
Pokémon war noch nie für seine brillant erzählte Geschichte bekannt, aber was bereits bei den Vorgängern und im vergangenen Remake genervt hat, passt im neuen Setting schlicht nicht mehr, und wirkt extrem unglaubwürdig und aufgesetzt. Ich soll also allen Ernstes glauben, dass ein Professor einem vom Himmel gefallenen Kind, von dem er vermutet es stamme aus einer anderen Dimension, direkt Pokémon anvertraut und ihm die wichtigste Arbeit in der gesamten Spielwelt anvertraut: dem Untersuchen und Erforschen von Pokémon? Dazu soll eben dieses gerade neu entdeckte Kind mächtige Wächter-Pokémon besänftigen, in dem es den Hüter-Pokémon etwa 50 Parfüm-Beutel ins Gesicht donnert? Ernsthaft, Gamefreak? Dass dieses Vorgehen bei allen Hüter-Pokémon gleich ist, ist da nur die Spitze des Eisberges.
Das Spiel richtet sich mit seiner Dialogführung klar an Kinder. Dass man trotzdem in diesem Szenario kompetente Geschichten erzählen kann, zeigt die Mystery-Dungeon Reihe. Diese Spiele schaffen es simple, aber wichtige Themen so stark zu vermitteln, dass selbst erwachsene Personen die ein oder anderer Träne verdrücken. Ein anderes Beispiel ist sogar eine eigene Gamefreak-Produktion: Pokémon Schwarz und Weiß. Die haben tatsächlich eine spannende Handlung präsentiert, die im Gedächtnis bleibt. Außerdem ist die Haupthandlung von Pokémon-Legenden: Arceus auch noch sehr kurz. Folgt man nur der Hauptgeschichte, dauert es lediglich rund 14 Stunden bis der Abspann über den Bildschirm flackert.
Aber gut, da ist ja immer noch das generalüberholte Gameplay und die neue Kernspielmechanik, die das Fangen von Pokémon zu einer Herausforderung werden lassen soll. Das Feature, auf das Pokémon-Fans der ersten Stunde so lange gewartet und es regelrecht herbeigesehnt haben. Leider funktioniert es nur so semi gut.
Das Kämpfen ist dem Fangen und Erkunden als zentraler Spielbestandteil gewichen. Das funktioniert auch prinzipiell ganz okay. Die Poké-Bälle habt ihr direkt auf Knopfdruck im Anschlag und könnt sie wie in einem Action-Spiel direkt per Wurf an den Kopf, den Hintern oder andere Extremitäten des Pokémons schleudern, um es zu fangen. Oder eben ins Nirvana, wenn ihr schlecht zielt. Das Fangen selbst ist simpel – gut zielen will gelernt sein, denn wer ein Pokémon überraschend von hinten trifft, hat eine bessere Fangchance. Besonders wichtig wird das bei Pokémon, die enorm groß sind und ein entsprechend höheres Level aufweisen . Diese Pokémon einzufangen bedarf schon etwas Planung. Und genau dann funktioniert Pokémon Legenden Arceus am Besten. Dann, wenn ich vom Spiel dazu aufgefordert werde mir Strategien zu überlegen, Herausforderungen zu meistern und mich als Held in ein Abenteuer zu stürzen. In diesem Fall: Herauszufinden, wie ich mit meinem Level 30 Team, ein Level 60 Pokémon fangen kann. Leider blitzen diese lichten Momente immer viel zu kurz auf – meist enden sie in schwatzhaften, nichtssagenden Dialogen.
Zurück zur Mechanik: Nach dem ersten Spieldrittel gibt es nicht nur diverse Bälle mit unterschiedlichen Flug-Eigenschaften, wie Federbälle, um fliegende Pokémon zu fangen, sondern auch allerlei zusätzliche Hilfsmittel wie Rauchbälle, um vor wilden Pokémon unentdeckt zu bleiben. Auch Beeren können zur Ablenkung geworfen werden. Oder ihr schleudert Matschbälle den Pokémon ins Gesicht, um sie einfacher einzufangen.
Hervorzuheben ist die fantastische Soundkulisse, die schon nach wenigen Minuten im Spiel erklingt. Darüber hinaus finden sich sehr viele Umgebungsgeräusche, die gut ineinandergreifen und einen hohen Dynamikumfang bieten.
Mit dem neuen Gameplay hält auch eine sehr rudimentäre Schleich-Mechanik Einzug. Ihr drückt B, um in die Hocke zu gehen und steuert euren Charakter ins hohe Gras – fertig. Positiv fällt auch hier wieder das Klangbild auf. Die Bewegung durch das hohe Gras klingt auf rein akustischer Ebene enorm glaubwürdig. Die Wahrnehmung naher Geräusche wird hier weiter angehoben und das Spiel vermittelt ein recht intensives Gefühl „mittendrin“ zu sein, wie ein Jäger, der auf seine Beute fokussiert ist.
Eine zentrale Rolle im Spiel nimmt das Örtchen Jubeldorf ein. Hier wird unser Charakter voller Neugier von den Bewohnern betrachtet. Der Ort, in dem Pokémon-Legenden: Arceus spielt, ist das Sinnoh der Vergangenheit und die gesamte Region orientiert sich stilistisch wie architektonisch am feudalen Japan. Spannend dabei: Hier sind Pokémon größtenteils noch unerforscht und machen den Menschen eher Angst. Eigentlich das Potenzial für eine großartige Geschichte, die auch einmal andere Wege einschlägt. In Jubeldorf erstattet ihr euren Vorgesetzten der Forschungsgruppe Bericht über Pokémon, die ihr gefangen habt, nehmt Nebenaufträge entgegen und deckt euch mit Vorräten und kosmetischen Erweiterungen ein. Dazu gibt es eine große Weide, auf der ihr auf eure Pokémon-Boxen Zugriff habt. Und ja, ich sage bewusst Pokémon-Box, auch wenn die jetzt Weide 1 bis 10 heißen. Außerdem gibt es in der Stadt einen Übungsplatz, bei dem ihr euren Pokémon gegen Bares neue Attacken beibringen könnt.
Von diesem Hub geht es bei Bedarf und der Story entsprechend in verschiedene Bereiche. Es gibt Hügellandschaften, einen Sumpf, ein Schneegebiet, eine Küste und noch ein wenig mehr zu entdecken, doch die Landschaften bleiben karg und leiden sehr unter der generellen Optik des Spiels. Sie sind zwar gut mit Pokémon gefüllt und dadurch auch nicht wirklich leer, aber die sehr kurze Sichtweite vermittelt das Gefühl, dass die Welt noch leerer sei, als sie tatsächlich ist.
Wie limitiert allerdings die Größe einzelner Areale ist, merkt man spätestens, wenn man sein erstes Reittier hat und sich in hoher Geschwindigkeit durch die Welt bewegt. Während mir Reittiere in vielen Spielen ein positives Gefühl vermitteln, war das in Pokémon Legenden Arceus eher das Gegenteil. Einerseits konnte ich mich nun geschwind bewegen, andererseits hat es das nicht vorhandene Polishing nochmal verdeutlicht. Man stößt schnell auf unsichtbare Wände und kann sogar den Rand der Welt sehen - das sollte nicht möglich sein. Außerdem wurde die Wechsel-Mechanik wohl nicht richtig geprüft, denn durch schnelles Wechseln kann man teils gigantische Höhen überwinden zu einem Zeitpunkt, zu dem das sicher nicht funktionieren sollte.
Leider sind das nicht die einzigen Punkte, in denen das Gameplay des neuesten Pokémon Spiels Schwächen aufweist. Beim Blick auf das Kampfsystem zeigt sich: Das Kampfsystem der Ur-Pokemon-Spiele bietet vielfältige Möglichkeiten und ist über die die Generationen hinweg gereift und immer besser geworden. Pokémon Legenden Arceus hat zwar die Rundenkämpfe noch an Bord, aber diese so stark vereinfacht, dass man problemlos sagen kann, die rote und blaue Edition bieten mehr spielerische Tiefe.
Das lässt sich selbstverständlich auch belegen. Es gibt jetzt zwar die Möglichkeit mit den neuen Tempo- und Krafttechniken die Stärke und Geschwindigkeit seiner Attacken zu steuern und so besonders effektiv Gegner zu besiegen, aber dafür wurde fast die gesamte spielerische Tiefe, die das Pokémon-Kampfsystem ausmacht, gestrichen. Es gibt zwar noch Wesen und Fleißpunkte, aber Pokémon-Fähigkeiten sucht man vergebens, ganz zu schweigen von Doppelkämpfen oder tragbaren Items. Allerdings hat Pokémon-Legenden: Arceus auch eine der besten Neuerungen implementiert, die es in Pokémon gibt: Ihr habt jetzt unter „Attacken verwalten“ die Möglichkeit aus einem möglichen Attacken-Pool euren Pokémon-Angriffe beizubringen. Damit sind versehentlich überschriebene Meta-Attacken endgültig passé.
Mehr hat sich aber bei den Kampfhandlungen - zumindest im positiven – nicht getan. Denn: Angriffe, die Fähigkeiten beeinflussen, werden nur noch in Offensiv- und Defensiv aufgeteilt, die dann jeweils sowohl physische als auch spezielle Werte beeinflussen. Sogar Attacken wie „Tarnsteine“ sind jetzt herkömmliche Angriffe, die nur auf ein Pokémon abzielen und damit keine taktische Tiefe mehr bieten. Dadurch bietet das Kampfsystem nur wenig Vielfalt und das Ziel ist lediglich, den Lebensbalken zu reduzieren. Auch Kampfanimationen wurden nur wenig überarbeitet - und das, obwohl die Angriffsvielfalt deutlich eingeschränkt wurde. Auch inszenatorisch leidet der Pokémon-Kampf enorm. Dadurch, dass „Pokémon-Legenden: Arceus“ euch völlige Freiheit geben will, könnt ihr während eines Pokémon-Kampfes rumlaufen. Was das bringt? Gar nichts. Die Kämpfe wirken dadurch noch statischer, weil die Pokemon ja nach wie vor starr auf der Stelle stehen und auf ihre Befehle warten. Von der stilsicheren Inszenierung eines Pokemon-Colosseum ist das Spiel weit entfernt. Aber hey: Immerhin kann man sich zwischen die kämpfenden Pokémon stellen und einen Schlag abbekommen – das ist rein visueller Natur.
Apropos: Wenn ihr in der Wildnis gegen Pokémon kämpfen solltet, kann es passieren, dass euer Pokémon gleichzeitig gegen vier wilde Pokémon kämpft. Das führt unweigerlich in den allermeisten Fällen zum K.o. Man kann nicht einmal ein zweites Pokémon dazu rufen, um wenigstens mit zwei eigenen Pokémon gegen die wilden Pokémon zu kämpfen. Das ist ein Fakt, den man hinnehmen muss.
Zumindest der Pokédex wurde sinnvoll an das neue Gameplay angepasst. Es geht jetzt nämlich nicht mehr nur darum ihn zu vervollständigen, indem ihr Pokémon fangt. Stattdessen sammelt ihr jetzt Punkte für verschiedene Aufgaben. Dazu zählt das Füttern von Pokémon, das Sichten bestimmter Attacken, oder wenn ihr ein Pokémon fangt, ohne entdeckt zu werden. Diese Vervollständigungsaufgaben arten – gerade zu Beginn - in „Fetch-Quest The Game“ aus. Damit ist gemeint: Ihr sollt ein und dasselbe Pokémon zehn Mal fangen. Oder es sechs Mal unbemerkt fangen. Ihr schmeißt also ein und demselben Pokémon so oft wie gefordert Pokébälle an den Kopf, um einen „Forschungsauftrag“ zu absolvieren. Und das macht schlichtweg keinen Spaß. Da es nicht einmal den geringsten Hauch von Anspruch versprüht, wird auch das forcierte Wiederholen, wie es anscheinend von den Entwickelnden gewollt ist, nicht besser – es mutiert zu einem regelrechten Spaßkiller.
Man wird vom Spiel zwar belohnt, wenn man neue, bislang unbekannte Pokémon fängt, viel mehr notwendige Erfahrungspunkte gibt es aber, wenn man sechs Mal einem Bidiza im Gebüsch auflauert und es fängt. Oder insgesamt 15-mal fängt, bevorzugt bei Nacht. Zu guter Letzt muss man es dann noch „bekämpfen“ und ihm dabei zusehen, wie es angreift. Diese Aufgaben lassen sich bedarfsweise mit jedem einzelnen Pokémon wiederholen. Dabei macht man vor dem Bildschirm nichts anderes, als die Schultertaste und den rechten Stick zu betätigen – das wars. Das ist langweilig, öde und im Anbetracht der Möglichkeiten, schlichtweg faul umgesetzt.
Wenn ihr zum ersten Mal mit Pokémon konfrontiert werdet, die euch attackieren, gibt es außerdem die Möglichkeit mit einer Hechtrolle Angriffen auszuweichen. Wirklich benötigt wird diese Mechanik bis auf seltene Ausnahmen aber nicht. Hinzu kommt, dass Pokémon-Legenden: Arceus seine Steuerung derart überladen und doppelt belegt hat, dass falsche Eingaben regelmäßig passieren können. Das passt nicht zu dem Fokus, auch die jüngsten Spieler ansprechen zu wollen.
Selbstverständlich findet sich in Pokémon auch eine Crafting-Mechanik wieder. Im Laufe der Geschichte erhaltet ihr über Nebenaufgaben einiges an Material und auch in freier Natur könnt ihr Materialien wie Beeren, Erze oder Holz farmen und euch daraus allerlei Ausrüstung basteln. Pokébälle, Tränke, Beleber, Hilfsitems – die Liste ist groß. Die entscheidende Frage ist aber: Ist die Umsetzung gut und macht Lust auf mehr? Die Antwort lautet wie so häufig: Nein. Die Mechanik schadet sogar nachhaltig dem Spielspaß wegen einer besonderen Entscheidung von Gamefreak. Die Rede ist vom begrenzten Inventar. Regelmäßig bleiben interessante, wichtige oder nützliche Items auf dem Boden, weil die Taschen unseres virtuellen alten Egos voll sind. Theoretisch sind die Taschen auch gegen Geld aufstockbar, allerdings nimmt die Item-Vielfalt immer weiter zu. Und spätestens, wenn ein einziger zusätzlicher Item-Slot 16.000 Poké-Dollar oder mehr kostet, wird diese Möglichkeit ad absurdum geführt.
Es gibt auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl von Progression, wie wenn man nach viel harter Arbeit einen Rucksack in Stardew Valley kauft und direkt deutlich mehr Slots zur Verfügung habt, oder durch das Lösen vieler kleiner Rätsel in einem Breath of the Wild Inventarslots aufstocken kann.
Apropos Breath of the Wild – das scheint der offensichtlichste Einfluss auf dieses Spiel zu sein. Das fängt schon mit dem goldenen Licht im Intro an, zieht sich durch die Gestaltung der Menüs und geht bis zur Musik des Spiels. Manche Stücke orientieren sich an den Pianoklängen von Breath of the Wild und für den Nostalgiefaktor hat GameFreak für die meisten Tracks einfach einige altbekannte Melodien aus Sinnoh untergebracht. Das fühlt sich aber nie besonders gut integriert an, sondern wirkt meist wie ein plumper Aufguss von Altbekanntem, weil die Musik sich nicht stimmungsvoll ins Geschehen einfügt, sondern aufdringlich wirkt. Wirklich gut gelungen ist das Sound-Design. Pokémon lassen sich sogar anhand ihrer Laufgeräusche auseinanderhalten.
Ein Problem des Spiels ist die Implementierung der Pokémon in die Hub-Welten. Das Antreffen von Pokémon fühlt sich nicht authentisch an. Sämtliche Pokémon im Spiel, weisen die gleichen Verhaltensmuster auf – Sie bewegen sich ein wenig durch die Gegend, schlafen hin- und wieder und greifen entweder den Spieler an, oder fliehen vor ihm. Es gibt kein echtes Gefühl von Immersion, keine Belohnung dafür, wenn man als Spieler nur ein Pokémon beobachten möchte und auf einen besonderen Moment hofft.
Es gibt in der Natur auch keine nennenswerte Interaktion zwischen verschiedenen Pokémon, die der Spielwelt Glaubwürdigkeit verleihen würden. Keine große Bandbreite an möglichen Erlebnissen in der Wildnis und damit auch keine Möglichkeiten, implizite Geschichten zu erleben. Wie gerne würde ich nach einer Runde Pokémon Legenden Arceus erzählen können, wie da dieses Plinfa war, das plötzlich mutig seine Artgenossen verteidigt hat, oder von einem Moment, als der Brüller eines Fukano dafür sorgte, dass mir ein Fang entkommen ist.
Stellt euch zum Vergleich mal folgendes Szenario vor:
Ihr seid nachts im Wald unterwegs und hinter euch seilt sich langsam ein Ariados vom Baum ab – das Mondlicht wirft einen dynamischen Schatten, in Form einer mächtigen Spinnen-Silhouette vor euch. Ihr stolpert über einen Stein, der sich als Kleinstein entpuppt und plötzlich wird die ganze Umgebung aufgeschreckt. Solche Momente werdet ihr niemals erleben und doch gibt es Spiele, die diese Art des Erzählens längst gemeistert haben. In Monster Hunter können beispielsweise gigantische Kreaturen aufeinandertreffen und wir werden Zeuge imposanter Kämpfe – die Kämpfe bleiben in Erinnerung.
Die Vergangenheit zeigt uns längst, wie es besser geht. GameFreak ist jedoch nicht nur in der nahen Vergangenheit stecken geblieben, sondern in der Prähistorie. Und das, obwohl Pokémon Legenden Arceus so viel Potenzial hatte. Wie gerne würden wir das Spiel lieben und sagen, dass das Spielprinzip voll aufgegangen ist. Aber das ist es nicht.
Generell erinnert das Gameplay des Spiels an ein typisches Problem im Game Design: Man hat eine gute Idee, glaubt fest daran und stellt später fest, dass das, was man nun gebaut hat, nicht wirklich Spaß macht. Viele Entwickler standen schon an diesem Punkt. Entscheidend ist, dass man sich die Zeit nimmt, die Mechaniken weiter auszuarbeiten und das eine Zahnrad zu finden, das die Maschine in Gang setzt. Doch Zeit gab es leider nicht viel – Schon zum ersten Teaser waren Fans skeptisch, ob der Veröffentlichungstermin haltbar ist. Die Fans sollten mit ihrer Skepsis Recht behalten.
„Pokémon-Legenden: Arceus“ ist immer dann am stärksten, wenn es kleine Herausforderungs-Höhepunkte hat, oder das fantastische Monster- und Art-Design der kleinen Wesen ausspielen kann. Denn insbesondere in vollständig animiertem 3D, sind die Poké-Monster einfach niedliche Wesen, die hübsch in der freien Wildbahn anzusehen sind. Zu genau darf man aber dann doch nicht hingucken. Denn, auch das muss man festhalten, Pokémon Legenden Arceus ist gerade in technischer Hinsicht eine regelrechte Katastrophe.
Schon bei den technischen Mindestanforderungen, ist das neue Pokémon vom Entwicklungsteam Gamefreak eine herbe Enttäuschung. Stabile 30 Bilder pro Sekunde sucht man darin vergeblich, genauso wie ansehnliche Umgebungen oder Animationsvielfalt. Um es deutlich zu sagen: Der Zustand, in dem uns Pokémon: Legenden Arceus zum Zeitpunkt des Tests vorliegt, ist absolut beschämend und erbärmlich. Dass Spiele auf der Nintendo Switch gut aussehen können, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Ein Blick auf das 2017 veröffentlichte The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder auch Metroid: Dread zeigen das sehr gut. Aber das, was in Pokémon zum Teil abgeliefert wird, ist nicht mal auf dem Niveau eines Elder Scrolls: Oblivion, geschweige denn auf dem eines Dragon Quest 8 auf der Playstation 2. Schon bei einem groben Blick auf das Spiel wird deutlich, dass Pokémon Legenden Arceus nicht im Ansatz die technischen Erwartungen an ein Spiel im Jahre 2022 erfüllen kann.
Zum einen wird das Spiel in einer dynamischen Auflösung präsentiert, die teilweise sogar deutlich unter 480p fällt, dazu aber dennoch hin und wieder Framedrops aufweist. Dazu gesellt sich eine sehr niedrige Draw Distance, matschige Texturen, Pop-Ins, Clipping, bis hin zu defekten Shadern, wie beispielsweise bei lila Outlines in Höhlengebieten zu sehen ist. Auch wechseln bei höherer Distanz 3D-Objekte schnell in eine Billboard-View mit sehr wenig FPS, dabei handelt es sich um vereinfachte Darstellungen von 3D-Objekten als rechteckige Grafik mit 2 Polygonen.
Ihr seht, dass Bilder mehr als tausend Worte sagen, und wir belassen es an dieser Stelle dabei. Was also kann man denn nun abschließend zu Pokemon-Legenden: Arceus sagen?
Als GameFreak Pokémon Legenden Arceus angekündigt hatte, waren die Gefühle gemischt. Die Idee, endlich etwas Neues auszuprobieren hat den meisten Menschen gefallen und die Sorge der schlechten technischen Umsetzung hat uns von Anfang an begleitet - und doch war da diese Hoffnung, dass dieses Spiel mehr sein könnte. Wenn schon die Grafik nicht großartig ist, bleiben da ja immer noch die wichtigeren Faktoren Gameplay und Story.
Aber auch die sind nicht auf dem Niveau vorheriger Pokémon-Spiele, zumindest wenn man das Fangen besonders starker Pokémon ausblendet. Das Gameplay von Pokémon Arceus nervt die meiste Zeit und torpediert das eigentliche Erkunden und Fangen neuer, bislang unbekannter Pokémon. Viel zu oft müssen Items gecraftet, Materialien gefarmt oder Gegner besiegt werden, wenn es gerade doch viel Interessanteres zu entdecken gäbe. Die Offenheit der Spielwelt wird ebenfalls durch die Linearität der Erzählung konterkariert. Das Kampfsystem wurde ohne Not simplifiziert, und das Fangen bietet kaum Abwechslung.
Die Spielewelt selbst wirkt hässlich und interaktionsarm und die Pokémon weisen weder Unterschiede im Verhalten auf, noch verfolgen sie ein Ziel. Sie laufen nur rum, um gefangen zu werden – oder euch anzugreifen. Und auch das Potenzial eines ans feudale Japan angelehnte Settings hat Gamefrak schlicht ignoriert. Story und Charaktere sind sogar noch unglaubwürdiger als in anderen Pokémon-Ablegern. Selbst die Musik im Spiel ist uninspiriert und meist nur ein Aufguss altbekannter Melodien, dafür ist immerhin die Soundkulisse gut umgesetzt – aber was rettet das noch?
All das wird überschattet von einer Optik, die derart grottig ist, dass nicht nur der Spielfigur der Mund offensteht.
Die grafische Umsetzung von Pokémon-Legenden: Arceus kann man nur als Frechheit bezeichnen, teilweise schaffen es selbst billige Simulator-Spiele, die nur aus zusammengesammelten Spiele-Assets bestehen, besser auszusehen als dieses Spiel.
Immerhin muss man Pokémon-Legenden: Arceus zugestehen: allein, dass ihr 3D Pokémon beobachten und fangen könnt, ist ein besonderes Erlebnis, das einem nur Pokémon bieten kann. In diesen seltenen Fällen kann es auch glänzen, wenn die vielen Mechaniken für einen Augenblick das Gameplay nicht trüben und man ein Togepi, ein Impoleon, oder ein Glibunkel fangen will - und es letztlich auch schafft.
Insbesondere, wenn es besonders große Exemplare sind, die wie ein großer Saurier auf der Karte umherlaufen. Wenn man das gesamte Pokemon-Team verplant, um so einem Pokémon ausreichend Schaden zufügen zu können, und es letztendlich fangen kann. Dann ist das die Sternstunde von Pokémon-Legenden: Arceus. Jede andere Mechanik oder jeder Spielbestandteil, funktioniert entweder gar nicht oder nur schlecht. Erwähnt sei hier auch die völlig überladene und doppelt bis dreifach belegte Steuerung. Besonders problematisch ist der Gameplayloop, der die andauernde Wiederholung forciert und auch der Erfahrungspunkte-Gewinn, der nicht gut ausbalanciert ist. Denn das Fangen von neuen Pokémon ist dramatisch weniger ertragreich, als das andauernde Fangen der immergleichen Pokémon.
Pokémon-Legenden: Arceus ist ein Spiel, das in fast allen Belangen unterdurchschnittlich performt. Immerhin läuft das Spiel stabil und wir hatten keinen einzigen Absturz. Trotzdem ist die Gefahr, gerade als langjähriger Fan, keinen oder nur sehr wenig Spaß mit dem Spiel zu haben, sehr groß. Aus dem Grund müssen wir an dieser Stelle eine klare Warnung aussprechen. Wer sich noch immer unsicher ist, sollte zumindest einen Blick auf mehr Material zu dem Spiel ansehen, um ganz sicher zu gehen und es nicht zu bereuen. Natürlich gibt es Menschen, die mit diesem Spiel auch Spaß haben können. Doch für alle die derart enttäuscht sind, dass sie meinen ihre Wut gegen Game Freak richten zu müssen:
Die Wahrheit ist, dass wir unmöglich wissen können, ob Game Freak als Entwickler große Schuld an der Qualität hat. Die Mängel sind derart offensichtlich, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass die Entwickler selbst Stolz auf dieses Werk sind. Vermutlich waren sie von Anfang an einem Zeitplan untergeordnet, der aussichtslos war. Würdet ihr es wagen, euch gegen einen Publisher aufzulehnen, wenn eure Existenz auf dem Spiel steht? Der Wunsch nach Änderung, kann durchaus mit dem Verlust des Berufes ausgehen. Unter diesen Umständen arbeitet man entweder unter härtesten Bedingungen so viel, dass selbst die eigene Familie kaum mehr gesehen wird, oder man findet sich damit ab, etwas Halbherziges abliefern zu müssen und kümmert sich schlicht nicht weiter um das Endprodukt, an dem man arbeitet. Das sind die Optionen, die noch verbleiben. Natürlich kennt niemand von uns die tatsächlichen Bedingungen, unter denen das Spiel entstand, bis vielleicht investigativ etwas zu Tage gefördert wird, aber diese Gedanken sind nicht fehl am Platz. Die Spielindustrie ist nun einmal erbarmungslos.
Natürlich kann ebenso niemand vorhersehen, wohin es führen würde, wenn sich dieses Spiel schlecht verkaufen sollte. Kehrt Game Freak wieder zum Alten zurück und gibt Innovationen endgültig auf? Das wäre sehr schade. Gibt es Einsicht seitens der Publisher und das nächste Werk bekommt mehr Zeit? Dann könnte vielleicht sogar ein großartiges Spiel entstehen. Sollte man ein Spiel wie Pokémon Legenden Arceus überhaupt guten Gewissens unterstützen, oder ist das gar moralisch schon fragwürdig? Mit diesen für eine Review ungewöhnlichen Worten, möchte ich diese Rezension abschließen. Ich kann in einer Review nicht mehr als meine ehrliche Meinung zu einem Spiel preisgeben – der Rest liegt bei euch. Wir vergeben Pokémon Legenden Arceus jedenfalls eine Wertung von 38 Punkten. Sehr viel mehr wäre unserer Meinung nach schlicht unehrlich, gemessen an allgemeinen Standards.