Pokémon Sonne & Mond - TESTBERICHT (Deutsch)

Pokémon Sonne & Mond - TESTBERICHT (Deutsch) - Cover

Mehr als drei Jahre mussten Anhänger der Pokemon Spiele auf eine neue Generation, die Neuauflagen Omega Rubin und Alpha Saphir ausgeklammert, warten. Dieses Warten ist seit dem 23. November dieses Jahrs vorbei. Der Entwickler „Game Freak“ lässt uns im neuesten Ableger Sonne und Mond wieder einiges entdecken.

Viele bekannte Pokemon der ersten Generation haben ein Re-Design, die sogenannte „Alola-Form“, bekommen und sind auf „Alola“, der neuen Pokemon Umgebung, zu fangen. Das veränderte Aussehen begründen die Entwickler damit, dass die Pokemon sich durch das veränderte Klima anpassen mussten. Eine Begründung, warum die Pokemon der ersten Generation auf Alola anzutreffen wird nicht geliefert. Es wäre den Entwicklern zwar Ideenarmut anzukreiden, doch kann man die veränderten Pokemon auch als Antrieb sehen, sich auch weiterhin dem Spaß am Fangen und Sammeln hinzugeben, obwohl man diese bereits kennt. Serienveteranen dürften sich dadurch auch direkt heimisch fühlen. Apropos neue Umgebung. Die Spieleumgebung erstreckt sich in vier voneinander getrennte Inseln und um den ein oder anderen Nebenschauplatz im Rahmen der Handlung. Namentlich heißen die Gebiete Mele-Mele, Akala, Ula-Ula und Poni. Die Gestaltung der Inseln vermittelt dabei jederzeit ein karibisches Flair und die Umgebungen sind abwechslungsreich. Jede Insel wurde mit einem eigenen Soundtrack bedacht, der Fernweh weckt. Man durchquert auf seiner Reise Gebirge, Strände, tiefe Wälder, moderne Städte und das Meer.

Im Vergleich zu den Vorgängern ist hervorzuheben, dass sowohl die Grafik als auch die Animationen besser aussehen. Die Pokemon werden im Kampf, aber auch in der „Poke-Pause“ lebendiger und liebeswerter als jemals zuvor dargestellt. Zudem wirken die Charaktermodelle nun deutlich jugendlicher und weniger kindlich und durch die exzellente Bedienung habt ihr jederzeit die volle Kontrolle über eure Spielfigur. Diese gestaltet Ihr in Pokémon Sonne und Mond ganz nach euren Wünschen. Vom Turnschuh bis zur Mütze könnt Ihr eure virtuelle Spielfigur mit allerlei schicken Accessoires und mehr oder weniger modischer Kleidung umherlaufen lassen. Davon gibt es nun sogar noch deutlich mehr als in den direkten Vorgängern, wodurch ihr die Möglichkeit besitzt euch noch individueller mit eurem Charakter zu identifizieren. Vorausgesetzt ihr könnt euch das Ganze auch leisten.

Freiheiten hat man beim Erkunden jedoch nur wenige. Entfernt man sich demnach von der vorgesehenen Route, bemerkt man, dass es nur wenige Dinge zu entdecken gibt. Überspitzt ausgedrückt ließe sich behaupten, dass selbst Call of Duty mehr Freiheiten als Pokemon Sonne und Mond bietet.  Ihr könnt zwar immer wieder in bereits erkundete Gebiete zurückkehren, um verbleibende Pokemon zu fangen, jedoch ist das in einem Spiel nach dem „Jäger und Sammler“ Prinzip zu wenig. Deutlich wird die eingeschränkte Handlungsfreiheit durch diverse festgelegte Kamerafahrten. Diese nehmen für den Spieler stets unvorteilhaft gewählte Positionen ein, die filmisch gezeigt werden, damit aber meist dem Gameplay schaden. Somit wird der Erkundungsdrang und das Suchen nach Schleichwegen und Geheimnissen, von denen ein paar eingestreut wurden, getrübt. Manchmal bleibt euch nichts anderes übrig, als abseits des Sichtbereichs der Kamera auf der Suche nach Pokemon, Items, oder Objekten, die ihr noch nicht entdeckt habt, die Gegend abzulaufen.
 

Eine weitere Änderung des Spiels betrifft die Orden, die man aus früheren Ablegern der Spielereihe kennt. Diese gibt es auf Alola nicht mehr. Stattdessen bekommt ihr nun für erfüllte Prüfungen auf den Inseln sogenannte Z-Bänder. Diese Z-Bänder sind die konsequente Weiterentwicklung der „Mega-Entwicklung“, die man aus den Vorgängern kennt. Sie schalten, sobald sie einem Pokemon zu Tragen gegeben werden, die Z-Attacke eines jeweiligen Typs frei, die einmal pro Kampf verwendbar ist. Dabei spielt es keine Rolle wie viele Pokemon Z Attacken beherrschen. Einfach ausgedrückt ist das sozusagen eure Geheimwaffe, da in einem schwierigen Kampf den Unterschied ausmachen kann. Erwähnenswert wäre dabei noch, dass die Z Kraft Fähigkeiten wie Schutzschild und Delegator ignorieren. Die Jagd nach den Bändern gestaltet sich ähnlich wie das Kämpfen in einer Arena. Man besiegt eine gewisse Anzahl an Gegnern, bevor man es dann mit dem „Herrscherpokémon“ aufnehmen darf. Diese haben stärkere Basiswerte und verhindern, dass ihr in ihrem Bereich Pokémon fangen könnt. Jedenfalls bis ihr sie besiegt habt. Im Rollenspieljargon ausgedrückt hat Pokemon Sonne und Mond daher richtige Endbosse, die sich auch von gewöhnlichen wilden Pokémon unterscheiden. Die Belohnung für das erledigen eines solchen „Herrschers“ ist, wie bereits erwähnt, das Z-Band der jeweiligen Region. Für jeden Typ gibt es eines, jedoch sind nicht alle an Endbosse gebunden.

Auf Seiten der Story gibt es leider nur noch wenig Positives zu berichten. Zwar bemüht sich das Spiel redlich eine halbwegs plausible Geschichte zu erzählen, scheitert aber in nahezu allen Belangen. Es hat weder interessante Helden (die typische Story eines „Neuen“, der zugezogen ist und im erwachsenen Alter von 11 Jahren auf große Reise geht) noch erwähnenswerte Sidekicks. Wenn dann doch mal ein Antagonist auftritt, dann haben sie so viel spielerische Tiefe wie ein Blatt Papier und sind typische „Abziehbild-Bösewichte“. Das bedeutet: Ein Bösewicht ist in Pokémon böse, weil die Gamedesigner und Autoren das so wollen. Keiner hat eine persönliche Motivation, keiner irgendwelche erwähnenswerten Gründe. Der Spieler hat das zu akzeptieren. Zugegebenermaßen gibt es zwei Charaktere, von denen der eine mal den Anschein erweckt er hätte eine interessante Hintergrundgeschichte. Jedoch hat dieser nur einen Randauftritt spendiert bekommen und nimmt nach dem „großen“ Storytwist nur eine banale Rolle ein. Der zweite bleibt von Anfang an durchsichtig und gezwungen emotional. Wie die Charaktere im Bezug zu den Schlauchlevel und Kamerafahrten inszeniert werden erwecken noch stärker den Eindruck, dass das Spiel mehr vermitteln möchte, als es letztendlich bieten kann. Dasselbe gilt für die Antagonisten, die diesmal „Team Skull“ heißen. Ihnen wurde nicht nur eine schrecklich aufgesetzte Animation verpasst, bei der sie wie Pseude Hio-Hop Künstler herumhampeln. Sie sind, was die deutsche Version angeht, auf eine jugendliche Ausdrucksweise bemüht und bleiben ihrer Linie das ganze Spiel über treu. Beispiel gefällig? Nach einem Kampf erklärte mir ein Mitglied der Bösewicht-Organisation das ich: „echt viel swag“ habe. Die Story bekommt im Anbetracht dieser Gesichtspunkte bestenfalls eine Anwesenheitsurkunde. Sie ist da, fällt aber so gut wie nicht auf. Der Zeitaufwand dafür beträgt rund 30h, sollte man sich in der Welt von „Alola“ genauer umsehen wollen.

Neuerungen, wie der „Rotom-Pokedex, der die gefangenen Pokemon nach Inseln sortiert, sowie die Ablösung klassischer Utensilien wie dem „Fahrrad“ durch ein Tauros, auf dem man reiten kann, wollen sich noch nicht so ganz harmonisch anfühlen, zumindest im Kontext der Handlung. So erzeugen die Pokemon, die einem jederzeit als „Hilfsmittel“ zur Verfügung stehen, wie das eben erwähnte Tauros, ein Toheido, oder auch das Rotom im Pokedex einen Bruch zwischen Spiel und Spielwelt. Dies bezeichnet man im Allgemeinen auch als sogenannte Ludonarrative Dissonanz. Mit diesem Begriff wird aufgezeigt, wie wenig euer Vorgehen in der Geschichte mit der Erzählung zusammenpasst. Als Hilfe standen eure Pokemon zwar schon in den Vorgängern zur Verfügung, dort waren es aber ausschließlich VM`s, die ihr einem Pokemon beibringen musstet, um Passagen der Spielwelt betreten zu können. So beseitigte „Zerschneider“ Büsche und mit „Stärke“ konnten große Felsen beiseitegeschoben werden. In Sonne und Mond hingegen sind manche Pokemon ausschließlich für solche Tätigkeiten gedacht. Möglich ist das über das „Poke-Mobil“ System, in dem ihr Zugriff auf die sieben Unterstützer Pokémon erhaltet. So kann Tauros durch Felsen rennen, Tohaido euch den Weg durch felsige Abschnitte auf dem Meer bahnen und So ruft ihr auf Knopfdruck ein Glurak fliegt euch zum nächsten euch bekannten Ort. Diese Neuerung macht einerseits Sinn, da man so keinerlei unnötige Attacken braucht, um voranzukommen, andererseits fragt sich der Spieler, warum man mit den Pokemon, die einen offensichtlich begleiten, nicht kämpfen darf. Ein Logikproblem. Die spielerische Besonderheit ist aber der „Bissbark-Detektor“, mit dem ihr euch die Position unsichtbarer Items auf den Wegen „erschnüffelt“.

Apropos Bruch zwischen Welt und Spieler: Dass das Spiel, was das folgende Beispiel angeht, wie schon seine Vorgänger, darauf keinen großen Wert legt, merkt man auch anhand der Reaktion eines Team-Skull Mitglieds. Obwohl er gerade mein Pokemon stehlen wollte, beschwert er sich nach meinem Fangversuch seines geschwächten Pokemons mit: „Hey, sei kein Dieb“. Am Kampfsystem hat sich derweil so gut wie nichts verändert, dafür hat sich aber am Kampf-Interface einiges getan. So wirkt der Kampfbildschirm nun deutlich übersichtlicher. Die Attacken befinden sich auf einem großen Feld auf der rechten, Pokemonwechsel, Items und Pokebälle auf der linken Seite. Dazu kommt, dass sich das Spiel merkt, gegen welche Gegner Ihr bereits gekämpft habt. Somit wird euch im Angriffsauswahl-Menü und sogar schon vor dem Pokemonwechsel anzeigt, wie effektiv eure Angriffe ausfallen. Einzige kampftechnische Neuerung: Es gibt jetzt ein „Battle Royal, in dem mehrere Spieler in einem „Jeder gegen Jeden“, oder im Team antreten können. Allerdings kam es im Laufe des Tests wiederholt zu massiven Framerateeinbrüchen, besonders kurz vor und während des Ausführens von Z-Attacken. Das sollte schleunigst nachgebessert werden und trübt zusätzlich das Gesamtbild.

Neu ist ebenfalls, dass man nun einen massiven spielerischen Vorteil hat, wenn die Beziehung zwischen einem Trainer und seinem Pokemon im Einklang ist. Dafür muss aber erst einmal gesorgt werden. Ihr streichelt und füttert im Idealfall alle eure sechs Pokemon jede Stunde, um ihnen die Zuneigung zu geben, die sie verdienen. Das geschieht über das Menü „Poke-Pause“ auf dem Touchscreen. Dadurch erhöht sich dann nicht nur eure Chance auf Volltreffer im Kampf, sondern sie können auch K.O.-Attacken überleben, um, wie es im Spiel heißt: „dem Trainer keine Sorgen zu bereiten“, was wie im Test auch dreimal nacheinander vorkommen kann. Zudem heilen sich die Pokemon auch ab und an selbstständig von Statuseffekten. Gefüttert werden sie mit den sogenannten „Poke-Bohnen“, die ihr über das „Pokémon Ressort“ auf dem Touchscreen abrufen könnt. In diesem könnt ihr nicht nur eure ansonsten nicht benötigten Pokémon von dem PC parken, ihr könnt sie sogar aufleveln. Falls dort genügend mehr oder weniger seltene Poke-Bohnen liegen, locken diese Pokémon an, die dann Eier produzieren. Die Poke-Bohnen könnt ihr aber auch einfach mit einer Berührung aufsammeln, um sie euren Pokemon zu mampfen zu geben. Alternativ dazu bestellt ihr euch im Pokemon-Center ein Getränk und bekommt dazu Bohnen. Im Übrigen benutzt Pokémon Sonne und Mond eure 3DS Zeiteinstellungen, um seine Tageszeit zu bestimmen. Einige Pokémon können sogar nur angetroffen oder entwickelt werden, wenn ihr tagsüber spielt. Es empfiehlt sich daher diese Information im Hinterkopf zu behalten.

Ein Zusatzfeature von Pokémon, Sonne und Mond ist auch sowohl der Sucher, mit dem Ihr an manchen Stellen im Spiel Bilder, die einige 3D Funktion des Spiels, machen könnt. (Ihr könnt diese auch auf SD Karte exportieren). Dazu hat Gamefreak auch noch QR Codes integriert, die ihr für einen Freund per Pokedex verfügbar machen könnt. Solltet Ihr davon mehrere gesammelt haben, offenbaren sich euch die genauen Positionen von bestimmten Pokemon auf Alola.

Im Online-Bereich haben sich die Entwickler Game Freak jedoch nicht lumpen lassen. Viele Features wie das „Festival Plaza“ wurden integriert, was eine Art virtueller Raum für Online-Matches ist und zudem zum Shoppen mit Spielewährung einlädt. Auch das Tauschen und Kämpfen übers Netz ist wieder vertreten.

Das Endgame ist besonders herauszustellen. Nach Abschluss der Story öffnet sich ein ganz neuer Inselbereich auf „Poli“ und lässt euch gegen Gegner mit besonders starken Pokemon antreten. Sehr löblich, wenn man den kompetitiven Bereich Pokemon berücksichtigt. Es gibt zudem im Spiel die Möglichkeit bis zu 100 Zygardenstaub und Zygardenkerne zu sammeln. Hat man das geschafft, kann man Gott spielen und daraus das legendäre Pokemon „Zygarde“ erschaffen. An Beschäftigung mangelt es also nicht.

Alles in allem ist Pokemon Sonne und Mond trotz aller Mängel ein gutes Spiel geworden. Klar, es hat einige Schwächen, wie auch das Fehlen des 3D-Effekts. Und ja, es wird weder einen Story-, noch einen Inszenierungspreis erhalten. Aber das Gefühl und die Freude auf die Jagd nach Pokemon zu gehen, den Pokedex zu komplettieren, schlagkräftige Teams zusammenzustellen und zu trainieren, hat noch immer seinen ganz eigenen Charme. Pokemon bleibt eben Pokemon. Es ist also vorrangig Fans, die mit den genannten Schwächen leben können, ans Herz zu legen.